Streifzug durch die 160jährige Geschichte des Hofstaats

Streifzug durch die 160jährige Geschichte des Hofstaats

Der neue Hofstaat der Friedrich-Wilhelms-Gesellschaft hat sich in den vergangenen Wochen zusammengefunden und stellt sich in diesen Tagen in allen Kränzebinderlokalen vor.

 

Bereits beim "Tanz in den Mai" am 30.04. besuchten die jungen Leute die Kompanien Mühlendorf und Rahmede. Bei der Kompanie Kelleramt wird der Hofstaat zur Familienwanderung am 18. Mai (Himmelfahrt) erwartet.

 

Zum Hofstaat 2023 gehören:

  • Marie Zöller & Felix Schäfer (Kompanie Freiheit)
  • Lia Volland & Lukas Grass (Kompanie Freiheit)
  • Nina Kober & Jörn Ossenberg (Kompanie Kelleramt)
  • Annika Verheyen & Alexander Stenns (Kompanie Kelleramt)
  • Rebecca Vogel & Sebastian Vogel (Kompanie Mühlendorf)
  • Saskia Storm & Jonas Storm (Kompanie Mühlendorf)
  • Pauline Dörr & Felix Ciesielski (Kompanie Nette)
  • Celine Malkus & Ben Slejfir (Kompanie Nette)
  • Lou-Ann Zaremski & Chris Hesse (Kompanie Rahmede)
  • Viviane Heyn & Julius Eltzner (Kompanie Rahmede)

Die Herren im Hofstaat werden als Blumenfähnriche und die jungen Frauen als Hofstaatdamen bezeichnet. Sie begleiten das künftige Schützenkönigspaar bei ihren offiziellen Auftritten.

 

 

Die Geschichte der Altenaer Schützengesellschaft und ihres Hofstaates:

Im Jahre 1863, also vor exakt 160 Jahren, wurde die Keimzelle für unseren heutigen Hofstaat gelegt. Aber wie kam es überhaupt dazu? Ein Blick in die Geschichte unserer Stadt zeigt: Obwohl die Altenaer Schützengesellschaft um 1429 zum Schutz der Freiheit Altena gegründet wurde, brauchte und braucht es - damals wie heute - Frieden, Freiheit und wirtschaftlichen Wohlstand in und rund um unser Städtchen, um das Schützenfest zu feiern.

 

1701: Altena gehört zu Preußen

Bis 1701 herrschte Friedrich III. Kurfürst von Brandenburg über Altena. Dieser krönte sich am 18. Januar 1701 in Königsberg selbst zu Friedrich I. König in Preußen. Seitdem gehörte die Freiheit Altena zum Königreich Preußen.

Im Siebenjährigen Krieg (1756-1763) blieb Altena von direkten Kriegshandlungen verschont, dennoch brachen die Absatzmärkte ein und die Einwohner an der Lenne und der Nette litten unter Hunger und Armut. Obwohl die Altenaer Drahtzieher seit 1742 von der Wehrpflicht befreit waren, musste der Kreis Altena Soldaten für das westfälische Infantrie-Regimnet No. 9 stellen.
Aufgrund der harten Zeiten konnten in dieser Epoche nur zwei Schützenfeste (1764 und 1791) gefeiert werden. Dabei untersagte das Königshaus das heidnische Vogelschießen und befahl, dass die Schützen auf eine Scheibe zu schießen haben. Insgesamt war das Verhältnis zwischen dem preußischen Königshaus und den Bewohnern der Provinz Westfalen stark zerrüttet.

 

1788: Preußenkönig Friedrich-Wilhelm II. besucht Altena

1786 trat König Friedrich-Wilhelm II. von Preußen sein Amt an, welcher zunächst sehr beliebt beim Volk war. Im Jahr 1788 besuchte er die Freiheit Altena. Dabei weihte er die neugebaute Straße zwischen Letmathe und Altena ein, die wir heute B236 (Hagener Straße) nennen. Dadurch konnten die Altenaer Reidemeister und Zöger ihre Waren besser zu den großen Marktplätzen transportieren. Dies nährte die Hoffnung auf mehr Wohlstand. Die Altenaer Bürgerschaft war ihrem Monarchen daher zutiefst dankbar, bereitete dem König einen großartigen Empfang und feierte danach ein großes Fest.

1791: Die Schützengesellschaft wird Friedrich-Wilhelms-Gesellschaft

Die Freude der Altenaer war so groß und anhaltend, dass die Schützengesellschaft im Mai 1791 beantragte, dass „Schützenfest in ein Friedrich-Wilhelms-Fest zu verwandeln“. Im September 1791 antworte der Preußenkönig der „Friedrich-Wilhelms-Gesellschaft zu Altena“ und stimmte den Plänen zu. Nach 27jähriger Unterbrechung wurde nun wieder ein Schützenfest mit Scheibenschießen Auf´m Sande, an der Steinerne Brücke, gefeiert. Die Scheffen und Offiziere trugen dabei die Altenaerische Uniform und die Schützen ihr Schützenzeichen an der Schützenmütze.

Zu dieser Zeit gab es in der Nette 50-60 Kühe, ungefähr 40 Schafe und für die ärmere Bevölkerung viele „Hitten“ (Ziegen). Rund 30% der Einwohner, Schützen, Häuser und Haushaltungen von Altena waren damals in der Nette beheimatet. Der Anteil der Drahtzieher betrug 40% und von den Drahtrollen und ihren Einrichtungen sogar 44% bis 58%.

Aus diesen Fakten lässt sich ableiten, dass die Stimmung zwar gut, aber die Bevölkerung arm war. Daher wurde in den folgenden Jahren kein Schützenfest mehr gefeiert.

 

1806: Napoleon - Zerstörer und Reformer

Ab 1806 verwüstete der französische Kaiser Napoleon I. ( Napoleon Bonaparte) halb Europa, aber seine liberale Politik fand insbesondere bei der armen und unfreien Landbevölkerung große Zustimmung.

Ab 1815 herrschte schließlich Friedrich Wilhelm III. König von Preußen wieder über die Grafschaft Mark, die Teil der neuen preußischen Provinz Westfalen wurde.

 

1815: Befreiungskriege und Reformen

Getrieben vom französischen Kasier Napoleon I. und revolutionären Gedanken seiner Bevölkerung hatte auch Preußenkönig Friedrich-Wilhelm III. ab 1806 in seinem Land Reformen eingeleitet, die sogenannten „Preußischen Reformen“, die nach den Befreiungskriegen auch in Westfalen galten. Dabei ging es um die Befreiung der Bauern, die Gleichstellung der Bürger, die Selbstverwaltung der Städte durch gewählte Volksvertreter, die Neuordnung der Staatsverwaltung durch verantwortliche Fachminister, die Einführung der Gewerbefreiheit und die Gleichberechtigung der Juden. Die zweite Säule umfasste die Bildungsreform, für die Wilhelm von Humboldt verantwortlich war. Die dritte Säule bildete die Heeresreform. Die Lage des Landes und auch die Beziehung zwischen Volk und König besserten sich infolge der Reformen.

Die neuen Freiheitsrechte machten sich spätestens ab 1817 auch in Altena bemerkbar und führten offenbar auch dazu, dass die Menschen in der Freiheit, im Mühlendorf und in der Nette langsam wieder Lust auf ein Schützenfest bekamen.

 

1825: Nach 34 Jahren endlich wieder Schützenfest

1825 hatte sich die politische und wirtschaftliche Lage in Altena endlich so erholt, dass das erste Schützenfest nach den napoleonischen Kriegen gefeiert werden konnte.

Dabei wurde die Sage von Pott-Jost erstmals niedergeschrieben. In dieser Epoche wurden auch die erste katholische Kirche seit der Reformation, die erste Synagoge und die erste öffentliche Schule in Altena errichtet. Außerdem wurden die ersten freien Zeitungen gegründet.

 

1833: Bei den Schützenfesten leben neue Bräuche auf

Die Zeiten entwickelten sich offenbar gut und so konnte schon 1833 ein weiteres Schützenfest gefeiert werden. Vermutlich wurde dabei der Brauch des Kränzebindens eingeführt. Hier traf sich die unverheiratete Jugend Altenas, um sich kennenzulernen.

Bereits 1837 fand wieder ein Schützenfest statt. Daran durften nun auch die jüdischen Bürger teilhaben und erstmals wurden die Gewehre der Schützen mit Eichenstöcken geschmückt.

Die Stadt Altena entwickelte sich zunächst weiterhin gut. Die großen Verbindungsstraßen nach Siegen, im Rahmedetal und im Nettetal wurden gebaut. An diesen Straßen siedelten sich nun zahlreiche Fabriken und Gaststätten an, in denen sich die ersten Turn- und Gesangvereine trafen.

 

1848: Märzrevolution beendet die Pläne für ein Schützenfest

1848 kam es in vielen Teilen Europas zu revolutionären Ausschreitungen gegen die Obrigkeit. Ziel war die Gründung von Republiken. Die Märzrevolution in Berlin wendete sich gegen König Friedrich-Wilhelm IV. Im Jahre 1849 verabschiedete die Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche eine Verfassung für alle deutschen Länder. Sie sah eine Gewaltenteilung in Exekutive, Legislative und Judikative vor. Als Staatsoberhaupt sah die Verfassung einen Kaiser vor. Friedrich-Wilhelm IV. wollte diese Verfassung für Preußen zunächst nicht akzeptieren und in dieser Phase gelang es ihm, seine absolutistische Position zurückzugewinnen.

In Iserlohn griffen Revolutionäre zu den Waffen! Die Altenaer blieben friedlich, aber zwischen Königstreuen und Freiheitskämpfern entstand ein tiefer Riss, der sich mitten durch die Gesellschaft, durch Altenaer Familien und auch quer durch den Vorstand der Friedrich-Wilhelms-Gesellschaft zog.

Zum Schutz vor Übergriffen gründete sich in Altena eine Bürgerwehr.

Zahlreiche Schützen wollten endlich wieder ein Schützenfest feiern und wählten einen neuen Vorstand. Wegen der „schlechten Zeitverhältnisse“ gab es Überlegungen, dass das Schützenspiel zusammen mit der Kirmes stattfinden sollte. Letztlich wurde jedoch kein Schützenfest gefeiert.

 

1850: Preußen erhält eine Verfassung und Altena feiert nach 13 Jahren wieder Schützenfest

In der dritten Regierungsphase baute König Friedrich-Wilhelm IV. von Preußen zwischen 1849 und 1858 den Staat mit einer, nach seinen Vorstellungen erlassenen und mehrfach abgeänderten Verfassung, zu einer konstitutionellen Monarchie um. Dazu konnte er Änderungswünsche an der Verfassung (u.a. Dreiklassenwahlrechts und Vorbehaltsklauseln zu Gunsten der Krongewalt) durchsetzen. Anschließend leistete er im Februar 1850 widerstrebend einen Eid auf die Verfassung.

Am 11. Mai 1850 trat eine neue Gemeindeordnung für den gesamten preußischen Staat in Kraft. Jetzt wurde der Bürgermeister nicht mehr wie bisher von der Regierung ernannt, sondern von der Gemeinde gewählt. Die Gemeinde war nicht mehr nur staatliche Verwaltungskörperschaft sondern erhielt eine größere Selbstverwaltung.

Die zugestandenen Freiheitsrechte in Preußen führten dazu, dass sich die Gesellschaft stabilisierte und die Wirtschaft erholte.

So konnten die Altenaer nach 13jähriger Unterbrechung endlich wieder ein Schützenfest feiern! Dabei wurde erstmals ein Blasorchester verpflichtet: Das 16. Infantrie Regiment spielte Militärmusik.

 

Die Infrakstruktur wächst rasant

Bereits 1800 hielt die Dampfmaschine Einzug in Preußen. Damit begann auch die Industrialisierung in Altena. 1851 begann der Bau der Ruhr-Sieg-Strecke und die Höhere Mädchenschule konnte gegründet werden. 1856 wurden das erste Krankenhaus und die erste Telegraphenstation in Altena eröffnet. Außerdem wurde erneut ein Schützenfest gefeiert.

Die erste Weltwirtschaftskrise 1857 hatte offenbar noch keine großen Auswirkungen auf Altena.

In der Folge wurden immer mehr Fabriken in Altena gegründet, eine regelmäßige Postkutsche eingeführt und Gaslaternen aufgestellt.

1861 hatte Altena 5.934 Einwohner und die Ruhr-Sieg-Strecke konnte zwischen Letmathe und Siegen in Betrieb genommen werden. Diese Anbindung an die „große weite Welt“ bot den Altenaern und ihren Fabriken die Öffnung zu völlig neuen Absatzmärkten.

 

1863: Schützenfest mit Vogelschießen, Preisschützen und einer Kirmes

Jetzt nahm das Schützenfest richtig Fahrt auf: Beim Schützenfest 1863 durften die Altenaer beim Königsschießen, nach fast 200 Jahren, endlich wieder auf einen Vogel zielen. Dabei wurden zum ersten Mal nachweislich auch Insignien geschossen und Preisschützen geehrt. Der Altenaer Schützenvogel hat sich in seiner Ausgestaltung seitdem kaum mehr verändert.

Der Schießstand befand sich beim Festplatz am Linscheider Bach (heute Betriebsgelände VDM). In einem Festzelt feierten 1200-1500 Festbesucher das Schützenfest, dass erstmals mit der Altenaer Kirmes zusammenfiel.

 

1869: Die erste Schützenkönigin und ihre Hofdamen

Im Jahr 1869 erwählte sich der Schützenkönig Joh Sprenger zum ersten Mal eine Schützenkönigin. Dabei handelte es sich um Wilhelmine Bergfeld. Dieser Brauch wurde als „der beste Schütze und die schönste Jungfrau“ umschrieben.

Etwa zur gleichen Zeit wurde im Kölner Karneval auch das heutige Dreigestirn mit Prinz, Bauer und Jungfrau eingeführt. Im Gegensatz zum rheinischen Karneval war die oberste Repräsentantin der Altenaer Schützen jedoch tatsächlich weiblich. Damit sie in der Männergesellschaft nicht allzu alleine darstand, wurden Ihr zur Seite zwei Hofdamen gewählt.

 

Seitdem gehört es zum Schützenfest unserer geliebten Friedrich-Wilhelms-Gesellschaft dazu, dass es Schützenkönig, Schützenkönigin und den Hofstaat gibt.
1873 stieg die Zahl der Hofdamen auf zwölf. Sie wurden an jedem Festtag neu gewählt. Ihnen zur Begleitung standen zwölf Schützen, welche Blumenfähnriche genannt wurden und das gesamte Fest über solche blieben.
Um einen Überblick zu behalten wurde hierfür eine Hofstaatkommission gebildet.

 

1886: Das erste Foto

Der Hofstaat der Friedrich-Wilhelms-Gesellschaft wurde erstmals 1886 fotografiert. Schützenkönig war damals Wilhelm Giese mit seiner Schützenkönigin Anna Boecker.


1950: Wiedergründung der Friedrich-Wilhelms-Gesellschaft

Am Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die Friedrich-Wilhelms-Gesellschaft verboten und 1950 auf Initiative des Alt-Königs Fritz Berg wiedergegründet. Er wurde fortan ihr Hauptmann. Seitdem besteht die Friedrich-Wilhelms-Gesellschaft aus fünf Kompanien. Jede Kompanie entsendet zwei Paare in den Hofstaat.

Jedes Paar besteht aus einer Hofstaatdame und ihrem Blumenfähnrich. Ihre Aufgabe besteht darin, das Schützenkönigspaar während ihrer Amtszeit bei offiziellen Anlässen zu begleiten.

Hofstaatdame und Blumenfähnrich sollten älter als 18 Jahre sein. Interessenten können sich während des Kränzebindens bei ihrem Zugführer bewerben.

Vor dem Schützenfest stellt sich der Hofstaat dem Vorstand und den Kompanien vor. Sobald das neue Schützenkönigspaar feststeht, können sie sich selbst zwei weitere Paare in den Hofstaat erwählen.

Hinzu kommen dann noch die Ehe- / Lebenspartner des Schützenkönigspaares , so dass man also auf 13 Paare im Hofstaat kommt, zuzüglich dem Schützenkönigspaar selbst.

 

Viele gestandene Zugführer, Scheffen und ehemaligen Schützenkönige der Friedrich-Wilhelms-Gesellschaft begannen ihre Laufbahn als Blumenfähnrich im Hofstaat.

Oft treffen sich die ehemaligen Hofstaatpaare noch heute mit ihrem Königspaar zu gemeinsamen Unternehmungen, feiern ihr jeweiliges Thronjubiläum gemeinsam und sind zum Teil tiefgehende Freundschaften eingegangen.

Wir wünschen dem Hofstaat 2023 eine schöne Zeit mit vielen wundervollen Begegnungen!

 

Zurück